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Coronavirus

Akteneinsicht? Geheimdienste und die ‘Delegitimierung des Staates’ am Beispiel einer Polit-Bloggerin

Akteneinsicht? Geheimdienste und die 'Delegitimierung des Staates' am Beispiel einer Polit-Bloggerin

© Jürgen Ritter via www.imago-imagBesucherseiteneingang des Bundesnachrichtendiensts (BND) an der Chausseestraße in Berlin-Mitte (Symbolbild)

Die in der Corona-Phase als maßnahmenkritisch bekannte und auf alternativen Online-Portalen veröffentlichende Polit-Bloggerin Aya Velázquez wollte von den Pressestellen dreier deutscher Nachrichtendienste erfahren, ob die dem Bundesinnenministerium (BMI) untergeordneten Behörden “grundlegende Daten” von ihr gesammelt und archiviert haben.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Berliner Verfassungsschutz gaben Negativbescheide, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bestätigte jedoch vorhandene Eintragungen. Der vorliegende Fall bestätigt die Umsetzung der Faeser-Erfindung von willkürlich negativen Feststellungen einer unterstellten “Delegitimierung des Staates”.

Aya Velázquez, ein Pseudonym, stellte die jeweiligen Anfragen an die Behörden Ende Februar dieses Jahres, wie sie in einem längeren Artikel auf ihrem ‘Substack’-Blog schildert. Die Bloggerin fragt in ihrem Beitrag bezüglich der Ergebnisse im BfV-Antwortschreiben:

“Journalisten als Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes? Ist regierungskritischer Journalismus neuerdings ‘Delegitimierung des Staates’?”

Der Artikel legt dar, dass die Behörde Velázquez schriftlich bestätigte, dass “neben grundlegenden Daten zu meiner Person in der Datenbank des Verfassungsschutzes vor allem “Informationen aus dem Jahr 2022″ gespeichert” wurden. Die Behörde erläutert der Bloggerin zudem:

“Die Daten seien im Rahmen des Phänomenbereichs ‘Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates’ für die befristete Dauer von zwei Jahren erhoben worden – und würden fristgerecht am 24. Mai 2024 dieses Jahres gelöscht werden – sofern ich dagegen keinen Widerspruch einlege.”

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Die Anfrage erfolgte unter mithilfe eines Online-Formulars des Netzwerk Recherche e.V. “FragDenStaat”, dabei sollte Velázquez dreimal schriftlich begründen, es “musste ein spezieller Grund angegeben werden, weshalb man meint, möglicherweise beobachtet zu werden”. Der BND, wie auch der Berliner Verfassungsschutz, informierten die Antragstellerin bei unterschiedlichen Bearbeitungszeiten darüber, dass keinerlei Daten oder Informationen zu ihrer Person vorlägen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz, mit Sitz in Köln und einer Berliner Dependance, forderte demnach genauere Angaben der Antragstellerin. So heißt es dargelegt:

“Der Hinweis auf meine journalistische Tätigkeit allein, oder der Umstand, dass über eine andere Journalistin rechtswidrig Daten gesammelt worden seien, reiche nicht aus. Ein ‘konkreter Sachverhalt’, den man beispielsweise gelten lassen würde, sei etwa ‘die Teilnahme an einer bestimmten Demonstration’.” 

Velázquez mutmaßt fragend im Artikel, dass dabei rein theoretisch diese verpflichtende Information als “eine hervorragende weitere Datenquelle” dienen könnte, um festzustellen “auf welchen Demos und politischen Veranstaltungen, von denen wir möglicherweise noch gar nichts wissen, das Beobachtungsobjekt noch war?”. 

Eine BMI-Gesetzesänderung sieht dabei seit dem Juni 2021 vor:

“Um Radikalisierungsverläufe von Einzelpersonen stärker in den Blick nehmen zu können, wurde der personenbezogene Aufklärungsansatz (§ 4 Abs. 1 BVerfSchG) gestärkt.”

Zuvor war dies nur in Verbindung mit zu beobachtenden Gruppen möglich. Velázquez erfuhr nach weiterem Schriftverkehr:

“Neben der durchaus bedenklichen Tatsache, dass offenbar ein journalistischer Artikel den Anlass zu meiner Beobachtung durch den deutschen Inlandsgeheimdienst gegeben hatte, beeindruckte mich auch die stolze Zahl von 815 Einträgen zu meinem Auskunftsgesuch in der elektronischen Datenbank der Behörde.”

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Das Behördenschreiben verweist darauf, dass “die Trefferliste auch Dokumente enthalte, die eine andere Person mit identischem Namen betreffen”. Dazu erklärt die Bloggerin:

“Da alle meine journalistischen Tätigkeiten ausschließlich unter meinem Pseudonym ‘Aya Velázquez’ stattfinden, ist davon auszugehen, dass für die Sucheingabe im elektronischen Aktensystem mein öffentliches Pseudonym, nicht mein Klarname verwendet wurde. Wie viele andere ‘Aya Velázquez’ – mit exotischem Vor- und Nachnamen – mag es wohl in Deutschland in einem Tätigkeitsbereich geben, der für das Bundesamt für Verfassungsschutz von Interesse ist?”

Die Antragstellerin erhält jedoch keinerlei Einsicht in die reichhaltig archivierten Unterlagen bei der Faeser-Behörde. Dazu heißt es:

“Eine Prüfung, ob es sich bei den Fundstellen tatsächlich um Treffer genau zu meiner Person handele, sei aber leider nicht möglich, teilte die Behörde weiter mit. Da die Einzeldokumente teilweise sehr hohe Seitenzahlen aufwiesen und die entsprechende Textstelle erst mühsam manuell herausgesucht werden müssten, sei ein solcher Arbeitsaufwand unverhältnismäßig. Eine weitergehende Auskunft über die über mich in der Behörde gesammelten Daten käme daher nicht in Betracht.”

Neben persönlichen Daten wie ihrem Namen und dem Wohnort seien in der Datenbank des BfV vor allem Informationen aus dem Jahr 2022 gespeichert, so Inhalte des Schreibens der Behörde. Für die Bloggerin hieße es daher nun “fröhlich Rätsel raten”, welcher ihrer zahlreichen Artikel oder sonstigen Veröffentlichungen den Anlass lieferten, die zur Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz führten. Zudem stelle sich die Frage: “Und inwiefern sollte ich damit ‘den Staat delegitimiert’ haben?”

Im Verfassungsschutzbericht 2021 wurde erstmalig federführend über Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem  Bundesverfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang diese neue Begrifflichkeit vorgestellt. Dazu heißt es zu den Gründen einer erkannten Notwendigkeit (Seite 112):

“Mit dem Beginn der Coronapandemie und der Durchsetzung staatlicher Beschränkungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Lage kam es in Deutschland zu gesellschaftlichen Diskussionen und legitimen Protestaktionen gegen diese Maßnahmen. In einigen Fällen gingen die öffentlich geäußerten Meinungen oder Aktionen von Personenzusammenschlüssen und Einzelpersonen jedoch über einen solchen legitimen Protest hinaus und wiesen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auf.”

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BfV-Präsident Thomas Haldenwang erklärte im Jahr 2021:

“Es ist der gesetzliche Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz genau dort hinzusehen, wo (…) aus Skepsis gegenüber dem Verfassungsstaat seine Bekämpfung wird.”

Velázquez will nun juristisch einen Einblick in die Unterlagen einklagen. Sie verlange eine “detaillierte Auskunft über sämtliches Material, das über mich bei der Behörde gespeichert ist, inklusive einer Begründung, warum das Material verfassungsrechtlich bedenklich sei”. Der deutsche Rechtsanwalt Niko Härting erklärt auf den Fall Velázquez aufmerksam geworden in einer Mitteilung auf dem Netzwerk X: 

“Man hätte es nie zulassen dürfen, dass sich der Verfassungsschutz mit der ‘Delegitimierung’ ein neues Spielfeld eröffnet, das der missbräuchlichen Überwachung oppositioneller Kräfte Tür und Tor öffnet.”

Der Medienanwalt Dr. Ralf Höcker kommentierte in der Causa:

“Der Verfassungsschutz hat mit dem angeblich ‘verfassungsschutzrelevanten Deligitimieren’ des Staates ganz einfach eine neue Form des angeblichen Extremismus erfunden, damit er auch Leute beobachten kann, die weder rechtsextrem, noch linksextrem, noch Islamisten sind. Jeder kann heute wegen zulässiger Meinungsäußerungen ins Visier des Geheimdienstes kommen und sein gesamtes Umfeld gleich mit.”

Der Finanzjournalist Norbert Häring stellt für sich auf seinem Blog zu den Darlegungen der Bloggerin fest: “Es schadet nicht, wenn diese Anfrage noch mehr regierungskritische Journalisten stellen”.

Quelle

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